Die Angst vor dem Fremden in mir. Christoph Schlingensief hat eine ganze Kirche daraus gemacht. Im besten Fall ist das Fremde aber das andere. (Ironie an, Ironie aus. Im Internet nie unterwegs ohne deinen Zwinkersmilie.)
Es scheint irgendwo immer ein Grüppchen Menschen in einer Ecke zu stehen, die ins Spielfeld des Lebens fremder Menschen hinein rufen, was sie zu tun und zu lassen haben. Möglichst laut, möglichst derb, möglichst im Brustton der Überzeugung, möglichst von oben aus einer privilegierten Position heraus.
Der Blick ins fremde Lebenswelten – unterhaltsam und immer auf der Suche nach mehr. Leserinnenkrankheit: Dieses Schweifen in fremden Gedanken. Faszinierende Neugierde mit Suchtgefahr.
Fremdeln – es scheint uns in die Wiege gelegt.
Wir sind die Guten, die anderen – die Fremden, die Feinde, die Ungläubigen, die Reichen, der Pöbel oder wer auch immer – sind die Bösen.
Jetzt ergibt sich aber das Problem, dass die Guten nicht immer gut sind. Manchmal liegt das an der Tageszeit, manchmal am Wetter und manchmal an der Verdauung. Mit einem Mal sind die Guten böse und die Bösen gut. Und die Fremden sind immer noch fremd.
Verwandelt. Plötzlich ist Dir Dein Alltag fremd. Wenn Du Mutter wirst. Oder arbeitslos. Wenn Deine Freundin stirbt. Wenn Dein Körper streikt. Wenn Dein Liebster Dich verrät. Wenn Du in einem fremden Leben aufwachst.
Sie trägt ihr Interesse für das Fremde wie eine Auszeichnung vor sich her. Mich befremdet das.
Fremd ist mir auch alles, was ich nicht verstehen kann.
Fremde Männer – die größte, anzunehmende lauernde Gefahr. So wurde es mir beigebracht.
Fremdeinwirkung – fast immer gefährlich. Manchmal auch lebensgefährlich.
Die fremde Sprache verunsichert, verlangsamt das Denken, macht aus mir eine stumme Zuschauerin.
Fremdeinschätzung – und plötzlich ist das Gegenteil von fremd das Selbst.
Gastbeitrag: Sammelmappe