Archiv für den Tag: 19. Januar 2016

Klangschale

Woher kommt die Musik? War am Anfang das Wort oder der Klang?

Warum reagiere ich so extrem empfindlich und vor allem so unterschiedlich auf Töne, und warum konnte ich noch nie Musik nebenbei hören, wie soviele Menschen? Und ich weiß nicht, warum mich Musik manchmal extrem glücklich macht oder genauso extrem unglücklich und was mir das größte Rätsel aufgibt, warum kann ich manch eine Musik überhaupt nicht aushalten, weil sie mir die Brust sprengt oder das Herz zerreisst, ob vor Glück oder vor Unglück, nicht mal das weiß ich. Es scheint dann eine Art von Sehnsucht von mir Besitz zu ergreifen, die nicht mehr in der Welt des Erklärbaren angesiedelt ist und unerträglich wird, weil sie nicht gestillt werden kann.

Schon als junges Mädchen musste ich heulen bei manchen Liedern, vor allem bei den Beatles…“Blackbird“ kann ich heute noch kaum aushalten.

Vor ein paar Tagen ist mir das wieder aufgefallen. In der Dämmerung bin ich unterwegs, es schneit, die Straße ist leer und im Radio läuft „Dollar Days“ von David Bowie, die Landschaft wird immer unwirklicher…dieses Saxophon (weiß jemand, wer es so grandios spielt?) trägt mich durch die Nacht…dieser Hauch von Ewigkeit weht mich an…so schön, dieses Gleiten durch die Nacht auf den Tönen dieser Stimme und dieses wilden Saxophons…

Und nicht lang danach spielen sie „Child in Time“ und ich werde zerrissen und zerrüttet…was ist das nur?

Dieses Lied verfolgt mich, am Abend kommt es mir aus dem Fernsehen entgegen und es begegnet mir noch ein paarmal und mir fällt wieder ein, was ich Monate zuvor in einem meiner derzeitigen Lebensbücher („Zur frohen Zukunft“ – Werkstattgespräche mit Adolf Holl) gelesen hatte. Holl hatte sich vor Jahren in einem Kloster der Zisterzienser aufgehalten und darüber berichtet,daß er von ihnen beim Hören ihres Gesangs viel  gelernt habe, was er nicht vergessen hätte, auch Sachen, die älter seien als das Christentum, den Tonus Peregrinus zum Beispiel.

Ich forsche nach und erfahre, daß dieser Tonus Peregrinus, lat. „fremder Ton“,  von den acht Modi des Gregorianischen Gesangs abweicht. Es ist der neunte Ton. Es soll wechselnde Halte- oder Schlußtöne geben und es ist mir nicht wirklich klar, was dies alles bedeutet.

Bach hat das Magnificat, ein wildes, leidenschaftliches, unerbittliches und hartes Lied der Maria vertont als „Magnificat anima mea Dominum“ und da erscheint dieser Tonus Peregrinus.

Bach-Magnificat

Und dann wird mir gesagt, wo er noch vorkommt,

nämlich in einem Song von Deep Purple: „Child in Time“!

Deep Purple-Child in Time

a – Moll, a – Moll, G – Dur, a – Moll

Antworten?

Ich fürchte, nein, eher nur weitere Fragen…die Frage nach dem Alter des „fremden Tons“ wurde nirgendwo aufgegriffen.

Wo kommen die Töne her und was machen sie mit uns?

Geheimnisvoller Urgrund

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